Keup's Giro Tagebuch
Pierre-Pascal Keup berichtet in seinem Giro-Tagebuch über das Geschehen rund um die U23-Ausgabe des Giro d' Italia.
18.06.2022 - Etappe 7
Am Samstag stand die Schlussetappe des Babygiros für uns auf dem Programm. Das Profil der Strecke war eher eines der einfacheren Art. Dies ließ jedoch kein einfaches Rennen zu. Das Gespringe um die Gruppe dauerte den ganzen Tag an.
Zwischenzeitlich war das Feld in kleinere Gruppe zersprengt. Es konnte sich jedoch keine Gruppe lösen, da immer Mannschaften mit der Gruppe unzufrieden waren. Ich saß zwischenzeitlich in einer Gruppe mit Hannes Wilksch und zwei anderen Top-Fahrern und dachte, dass die Gruppe sich lösen könnte. Dort war ich jedoch ein wenig am Limit, da ich vorn durch die Führung fast 500 Watt fahren musste, um an Hannes vorbei zu kommen.
Es war natürlich klar, dass einige andere Fahrer, nachdem die Geschwindigkeit wieder rausgenommen wurde und alle etwas angegraut waren, wegfuhren. Lange hielt die ruhige Phase, in der die Gruppe vorne stand, aber nicht an. Das Gespringe ging wieder los. Zum Glück hatte ich aufmerksame Teamkollegen, die diesmal die Gruppen besetzten.
Am kurzen, aber sehr steilen Schlussberg, den wir zwei Mal zu fahren hatten, löste sich vorn eine Gruppe mit Jakob (Geßner) und etwa weiteren 20 Fahrern. Diese wurde jedoch auch wieder schnell gestellt. An einem Gegenanstieg konnte ich noch einmal eine vielversprechende Gruppe besetzen, allerdings lief auch diese nicht richtig.
Bis zur Schlussrampe konnte sich dann keine Gruppe mehr lösen. Ich war schon ziemlich platt, aber Jakob schaffte es unten als Vierter in den Anstieg und konnte am Ende Zehnter werden. In der Gesamtwertung schaffte er sogar noch einen Platz gut zu machen und belegte Rang 19. Sehr beeindruckend fand ich die Plätze sechs und sieben, die Felix Engelhardt und Hannes Wilksch zeitgleich in der Gesamtwertung belegten.
Ich bin mit meiner Leistung und der meiner Teamkollegen sehr zufrieden. Bis auf die schweren Bergetappen konnten wir immer unter die ersten Zehn fahren. Natürlich wäre es schöner gewesen auch mal ein Podium zu holen, aber Radsport ist zu einem Teil auch Glückssache und nicht immer kann jeder Plan aufgehen.
Krass fand ich auch meinen Teamkollegen Alexander Tarlton, der nach einem schweren Sturz auf der zweiten Etappe den Giro noch beenden konnte. Es war auf jeden Fall eine Riesen-Erfahrung so eine große U23-Rundfahrt erleben zu dürfen. Momentan habe ich zwar keine Lust mehr Berge hoch zu fahren, aber die Alpen sind schon echt schön. Mal schauen wann ich mich als nächstes wieder Alpenpässe hochquälen darf.
Viele Grüße
Euer Pierre
17.06.2022 - Etappe 6
Heute am Freitag stand die zweite schwere Bergetappe an, die am Ende auf den Colle Fauniera hinauf führte. Dort sollte sich nun die Gesamtwertung entscheiden. Um an diesem Tag trotzdem eine Rolle zu spielen, hatte ich das Ziel vorn in die Gruppe des Tages zu kommen.
Das verpasste ich leider nach einem Cyclocross-artigen Start, nach welchem sich die Gruppe des Tages direkt löste. Unter anderem mit dem späteren Sieger Lennert van Eetvelt.
Hinten im Feld fuhr dann hauptsächlich FDJ nach, um in der Gesamtwertung nochmal einen Sprung machen zu können. Der Berg begann von der Steigung her moderat. Trotzdem wurde schon eine ordentliche Pace gefahren. Als der Berg dann richtig begann und man im Tal steiler berghoch fuhr, musste ich reißen lassen. Jakob war in guter Position und damit war nichts mehr für mich zu tun. Jetzt ging es nur noch darum die Karenzzeit von etwa 40min zu schaffen. Also suchte ich mir eine Gruppe mit angenehmer Geschwindigkeit und fuhr ins Ziel.
Im Gegensatz zu den Fahrern an der Spitze konnte ich die Landschaft etwas genießen. Oben war die Straße des Berges so schmal, dass keine Autos bis ins Ziel mitfahren durften. Am Ende gewann Lennert van Eetvelt. Jakob konnte seinen 20. Platz in der Gesamtwertung halten. Die letzte Etappe am Samstag ist nochmal eine flachere mit einem anspruchsvollen Finale. Mal schauen ob da noch was drin ist.
Viele Grüße
Euer Pierre
16.06.2022 - Etappe 5
Nach der 4. Etappe stand für uns am Mittwoch der Ruhetag an. Das Ziel an dem Tag war es, den Kreislauf auf Schwung zu halten und sich beim Radfahren schon mal etwas weh zu tun. Die Überwindung dafür war ziemlich groß, aber man möchte ja trotzdem zur 5. Etappe wieder mit guten Beinen am Start stehen.
Nachdem wir, früh am Tag aus Mailand im Berufsverkehr heraus, endlich in Fossano angekommen waren, ging es also auch schon aufs Rad. Bis nach dem Kaffee-Stopp, wo sich jeder von uns ein Panini und ein Eis gönnte, lief alles super. Aber wie es kommen musste, fuhren wir die letzten zehn Kilometer schön im Regen in unsere Unterkunft. Immerhin freute sich unser Mechaniker, da wir die Räder schon ein wenig vorgewaschen hatten.
Nach dem Training lag der volle Fokus auf Erholung. Mittagsschläfchen, Reboots oder beides gleichzeitig wie bei Leslie, helfen dabei ganz gut. Am Abend gab es mal wieder Reis oder Nudeln mit Pesto und Hühnchen wie jeden Abend. Auch wenn man keinen Appetit mehr hat, müssen die Energiedepots wieder aufgefüllt werden.
Heute Morgen war ich froh, dass ich am Vortag ein wenig Rad gefahren war, da sich alles schon recht träge anfühlte. Es waren alle gespannt wie jeder den Ruhetag verkraftet hatte, da direkt zu Beginn der Etappe ein zehn Kilometer langer Berg anstand. Deshalb fuhren wir uns auf der Rolle auch ein wenig warm. Das Team FDJ kam dann auf die glorreiche Idee, ab Mitte des Berges Vollgas zu fahren und alle schön leiden zu lassen.
Es löste sich eine 6-Mann-Gruppe, in der FDJ zu viert vertreten war. Die wollten anscheinend heute gern Mannschaftszeitfahren trainieren. Damit übten sie ordentlich Druck auf Leo Hayter im Rosa Trikot aus.
Anfangs war ich zwei Gruppen von der Spitze zurückliegend, schaffte es jedoch im Flachen mit einer gut harmonierenden Gruppe wieder nach vorn in die des Rosa Trikots. Im Flachen rollten dann nach und nach mehr Gruppen zusammen, bis ein Hauptfeld von etwa 90 Fahrern entstand. Dort fuhren dann Lotto Soudal und Hagens Berman hinterher, um die Gesamtwertungsplatzierung zu halten.
Bei Rückenwind und über 30 Grad schlauchte das ganz schön, selbst im Feld nur mitzufahren. Am Ende des Rennens fuhren wir eine wellige Schlussrunde. Etwa zwei Runden vor Schluss waren die Ausreißer gestellt.
Ich pokerte auf einen Sprint, da ich nicht mehr genug Kraft hatte, um auf die Gruppen zu gehen und am Ende eventuell noch sprinten zu können. Jakob besetzte vorn die Gruppen. Leider löste sich eine Konterattacke ohne ihn. Den Feldsprint um Platz sechs konnte ich für mich entscheiden.
Heute Abend gehen wir zur Abwechslung Pizza essen, um etwas Leckeres im Bauch zu haben für die Bergankunft morgen auf fast 2500 Metern Höhe am Colle Fauniera.
Viele Grüße,
Euer Pierre
14.06.2022 Etappe 4
Heute startete die 4. Etappe des Babygiros in Chiuro. Nach dem schweren gestrigen Tag war das Rennen für eine Spitzengruppe optimal, da die heutige Etappe nur 100 Kilometer hatte. Das Rennen wurde entsprechend von Anfang an voll gefahren.Die erste Gruppe, die es schaffte sich zu lösen, konnte ich besetzen. Hinten wurde jedoch voll weitergefahren. Einzelne Fahrer fuhren zu meiner Gruppe auf. Über die Wellen in den Weinbergen löste sich noch einmal eine kleine Gruppe mit etwa fünf Mann. Um dort mitzufahren, hatte ich leider nicht mehr die Beine. Die Gruppe kam jedoch auch nur auf knapp über eine Minute weg.
Die letzten 30 Kilometer fuhr das Feld mit Rückenwind im Tal in Einerreihe der Gruppe hinterher, Jakob und Alex gingen vorn voll mit durch den Kreisel. Etwa sechs Kilometer vor Schluss hatten wir die Gruppe eingeholt. Für eine Sprintankunft war das Finale recht anspruchsvoll. Ich lieferte Leslie zwei Kilometer vor Schluss am Zug von Lotto Soudal ab. Im Sprint schaffte er es schließlich auf den 10. Platz. Morgen haben wir Ruhetag, um neue Kraft zu tanken.
Viele Grüße,
Euer Pierre
13.06.2022 Etappe 3
Am Montag stand die Königsetappe des Babygiros an. Die gestern schon angesprochenen 45 Minuten Bergauf-Neutralisation verliefen verhältnismäßig entspannt. Oben auf der Kuppe fing es dann jedoch an zu regnen.Fast gleichzeitig gab es einen großen Sturz bergan, weshalb ich unter den letzten Fahrern in die Abfahrt fuhr. Nach der Abfahrt sah ich nur, wie sich das Feld in drei große Gruppen geteilt hatte und ich dummerweise in der letzten war.
Am Tonale-Pass schaffte ich es jedoch wieder in die erste Gruppe vorzufahren. Einigen anderen Fahrern erging es wie mir und ich musste nicht allein nach vorn fahren. Der zweite Anstieg hinauf nach Aprica verlief verhältnismäßig entspannt, da sich eine Gruppe gelöst hatte und UNO-X, warum auch immer, das Feld kontrollierte.
Als dritter Berg im Rennen stand der Mortirolo an, wo klar war, dass dieser Berg rennentscheidend und vermutlich die Gesamtwertung vorentschieden wird. Jakob (Geßner) schaffte es vorn in den Berg zu fahren und ich suchte mir eine entspannte Gruppe. Solch einen Berg hatte ich noch nie zuvor gesehen. Man blickte nach oben und fragte sich, wie dort eine Straße hoch gehen sollte. Zum Glück haben wir ein 34er-Ritzel von unserem Mechaniker montiert bekommen.
Nach über einer Stunde bergan mit fast 12% Steigung im Schnitt waren wir endlich oben auf dem Plateau. Dort fing es dann an zu regnen und es wurde sehr kalt. Ich wollte schnellstmöglich vom Berg runter und fuhr mit drei anderen Fahrern nochmal los. Die Abfahrt vom Mortirolo runter mit dem Tal im Blick war echt das Schönste am ganzen Tag.
Im Tal fuhr unsere Gruppe dann weitere Fahrer auf und wir waren schnell wieder eine Gruppe von etwa 20 Fahrern. Kurz vor Ziel zerteilte unsere Gruppe sich dann noch einmal. Nach 6:40 Stunden Fahrzeit und über 5000 Höhenmetern inklusive Neutralisation war ich dann endlich im Ziel. Ich habe mich noch nie so sehr gefreut, die abgesteckten Kilometermarkierungen am Ende zu sehen.
Viele Grüße
Euer Pierre
12.06.2022 Etappe 2
Am Sonntag ging die 2. Etappe in Bassano del Grappa los, wo ich vor wenigen Tagen mein erstes UCI-Rennen gewinnen konnte. Wir fuhren dasselbe Tal entlang, diesmal jedoch Richtung Trento. Nach einer hektischen Anfangsphase mit viel Gespringe löste sich eine kleine Gruppe. Diese baute ihren Vorsprung schnell aus und hatte zwischenzeitlich sieben Minuten. Ein Grund dafür war sicherlich, dass nachdem die Gruppe stand, etwa das halbe Feld zum Wasserlassen auf der Autobahn anhielt.Schnell wurde es im Feld erst wieder als die Positionskämpfe vor den Bergen losgingen. Ab da kontrollierte FDJ das Tempo und nicht das italienische Team Zalf mit dem Rosa Trikot. In der ersten Abfahrt, nach Trento, stürzte einer unserer Gesamtwertungsfahrer, Alexander Tarlton, mit etwa 60 km/h. Ich hoffe ihm geht es heute Morgen wieder besser, zumindest starten kann er, nachdem er heute früh noch mal vom Rennarzt durchgecheckt wurde....
Nach Trento hatten wir noch drei Berge vor uns, zwei davon mit langen Tunneln. Es war ein schönes Gefühl darin hoch zu fahren und ausnahmsweise in einem Tunnel mal keine Angst vor Autos zu haben, die von hinten kommen. Der letzte Berg wurde nicht mehr ganz kontrolliert gefahren. Verschiedene Teams versuchten, sich mit Attacken zu lösen. Leo Hayter vom Team Hagens Berman gelang es dann.
FDJ schaffte es, jeden Fahrer der Spitzengruppe wieder einzusammeln. Leo Hayter blieb jedoch bis zum Ziel vorn. Seine emotionale Ankunft in Pinzolo war echt beeindruckend.
Im Sprint um Platz zwei lief es bei mir gestern dann nicht wie geplant. Ich habe mich einbauen lassen und kam nicht mehr vor. Jakob Geßner schaffte es jedoch auf einen starken 8. Platz. Heute geht es in Pinzolo weiter, wo wir 600 Höhenmeter schon in der Neutralisation bergan fahren. Ich hoffe die wird nicht wie in Düren, wo in der Neutralisation bergauf auch immer schon richtig Tempo gefahren wird....
Viele Grüße
Euer Pierre
11.06.2022 Etappe 1
Heute ging es endlich los. Die 1.Etappe startete in Gradara, dem Ziel der Strade U23 Austragung. Dort hatten wir vor einigen Tagen als Team einen guten Einstieg, mit Jakob auf Platz 5, in die italienischen Rennen gehabt. Ich selbst hatte 2 km vor Schluss noch einen Platten und kam auf Rang 8 oben in der schönen Burg an. Der Start heute ging jedoch bergab. Kurz vor der ersten Bergwertung, schaffte eine umkämpfte Gruppe sich zu lösen. Hannes Wilksch vom Team DSM nahm die Sache hinten in die Hand und gab seinem Team und FDJ das Zeichen die Straße dicht zu machen. So etwas kannte ich bisher nur von der Deutschland Tour. Damit nahm Team DSM das Rennen für ihren Sprinter Casper van Uden in die Hand.
Etwas Mitleid hatte ich schon mit den Helfern, die bereits 140 km vor Ziel anfingen das Feld zu kontrollieren. Danach war das Rennen recht entspannt und ließ bis zum Zeitpunkt der Schiebekante, Gespräche mit anderen Fahrern zu. Ich schaffte es glücklicherweise noch in die erste Gruppe. In Belgien mit Fahrern mit mehr Erfahrung auf der Windkante, wäre das Rennen vermutlich anders verlaufen.
Etwa 30km vor Schluss wurde es dann langsam ernst. Wir sammelten uns als Team und fuhren Leslie in Position. Durch die Hektik und Nervosität im Feld haben wir uns jedoch verloren. Allerdings schaffte Leslie es sich an unser Hinterrad kämpfen. Dort blieb er auch bis einen Kilometer vor Schluss. Ich selbst, immer einige Reihen dahinter, kam durch glückliche Umstände einen Kilometer vor Schluss zu ihm vor. Ich fuhr dann etwa 800m vor Schluss in den Wind, um Leslie den Sprint anzufahren. Er sprintete dann auch im richtigen Moment 200m vor Schluss los. Das Podium und eventuell der Sieg war zum Greifen nah. Leslie bekam jedoch 50m vor dem Ziel Krämpfe und rollte mehr oder weniger ins Ziel. Da kann nach dem Ziel schon mal ein Wasserkarton vor Enttäuschung am Gartenzaun zerschellen.
Wir können jedoch mit zwei Top 10 Ergebnissen sehr zufrieden sein und mit Selbstvertrauen in die nächsten Etappen starten.
Viele Grüße
Euer Pierre
10.06.2022 - Teampräsentation
Hallo zusammen, morgen (Samstag) startet endlich der U23 Giro, auf den wir seit Monaten hinfiebern. Ich kann mich noch genau an den Tag im Trainingslager am Gardasee erinnern, als wir vom Team Lotto - Kern Haus emotionsgeladen die Einladung des Babygiro bekommen haben. Wir haben uns gefreut, als hätten wir das Rennen so gut wie gewonnen.Nachdem ich dann vom Team frühzeitig nominiert wurde, bin ich überglücklich, nun mit guter Vorbereitung am Giro teilzunehmen. Die Teampräsentation heute war schon sehr spannend, da man das erste Mal alle Fahrer der anderen Teams zusammen sah und die Konkurrenz und deren Material näher inspizieren konnte. Die weißen Reifen vom Team Tudor fand ich cool.
Oben auf dem Podest der Präsentation war es schon ein besonderes Gefühl alle Sportler sehen zu können. Ich kann es kaum erwarten, dass es endlich losgeht.
Viele Grüße
Euer Pierre