Heiduks Tagebuch zur Deuschland Tour - Stand: Etappe 4
Kim Heiduk berichtet von seiner zweiten Teilnahme nach 2019 in einem Tagebuch über das Geschehen rund um die Deutschland Tour.
25.08.2021 - Pressekonferenz
Wir sind bereits am Dienstag zur Deutschland Tour angereist. Am späten Nachmittag sind wir in der Nähe von Rostock angekommen, wo sich etwa 120 Kilometer entfernt vom Startort Stralsund unser Hotel befindet. Das ist schon eine ordentliche Strecke.Nach der langen Fahrt sind wir am frühen Abend noch mal für eine Stunde aufs Rad, um unsere Beine zu lockern.
Am Mittwoch Vormittag stand unsere Vorbelastung an, wir sind etwa 90 Minuten Rad gefahren und dann ging es für mich schon relativ früh nach Stralsund, da um 16 Uhr die Pressekonferenz anfing, zu der auch ich eingeladen war.
Es hat mich super stolz gemacht, dort mit großen Namen am Tisch zu sitzen beziehungsweise eine Pressekonferenz abzuhalten. Es kommt nicht alle Tage vor, neben Chris Froome, Pascal Ackermann, Nils Politt, André Greipel und Phil Bauhaus zu sitzen. Das war etwas Besonderes und hat auf jeden Fall Spaß gemacht.
Nach einer kleinen Pause kamen meine Teamkollegen nach, weil gegen 18 Uhr die Teampräsentation auf dem Programm stand. Es war alles sehr gut organisiert und trotz des regnerischen Wetters waren viele Leute da und die Stimmung war gut. Anschließend ging es wieder 120 Kilometer zurück zum Hotel.
Ich melde mich nach der 1. Etappe wieder.
Viele Grüße
Euer Kim
26.08.2021: 1. Etappe - Stralsund - Schwerin (191 km)
Heute standen 191 km plus 8 km Neutralisation auf dem Programm. Wir sind im Trockenen gestartet, es hat aber recht schnell angefangen zu regnen. Da Nordwind gemeldet war, waren wir von Anfang an aufmerksam.
Josh ist von uns mehr oder weniger direkt in der Gruppe gelandet. Gegen die Erwartungen, war es am Anfang im Feld ziemlich ruhig. Bora hat dann nach gut 30 km den Anfang gemacht und hat es probiert. Aber es kamen immer wieder Waldstücke und schlussendlich ist nichts passiert. Das Wetter war sehr wechselhaft, es gab mal trocken Phasen und Phasen, in denen es ordentlich geregnet hat, was unserem Team eigentlich ganz gut entgegen kommt.
Bahrein hat dann mit Bora und Quickstep weitestgehend das Rennen kontrolliert. Zwischendurch wurde noch zwei mal probiert auf die Kante zu gehen, aber so richtig funktioniert hat das nicht. Wir waren weitestgehend immer vorne vertreten.
Als es ins Finale ging, haben Mario und Jan mich versucht nach vorne zu bringen, bzw. dort dann auch zu halten. Beide, vor allem aber Jan, haben einen richtig guten Job gemacht. Auf dem letzten Kilometer musste ich mich dann allerdings alleine durchschlagen, weil die anderen ihre Kräfte davor schon aufgebraucht hatten. Es gelang mir eigentlich sehr gut, aber ein paar mal musste ich ausweichen bzw. bremsen und wieder antreten, was mir dann vielleicht ein paar Körner zu viel gezogen hat für den Sprint.
Alles im allem war das ein guter Start für uns, mit Josh in der Spitzengruppe, der noch Bomussekunden sammeln konnte und auf Platz vier in der Gesamtwertung liegt. Vielleicht geht es ja die nächsten Tage noch ein paar Position nach vorne im Tagesergebnis.
Morgen geht's weiter mit Etappe 2.
Viele Grüße
Euer Kim
27.08.2021 2. Etappe: Sangerhausen - Ilmenau (181 km)
Beim zweiten Tag der Deutschland Tour standen heute 181 Kilometer auf dem Programm. Es war schon deutlich welliger als der Tag davor. Und den ganzen Tag war Regen angesagt und so ist es eigentlich auch gekommen. Nur kurz nach dem Start war eine Regenpause mit trockener Straße, aber danach hat es die ganze Zeit durch geregnet und es war mit 13 Grad nicht allzu warm. Es war mehr wie ein Tag im Frühjahr als wie Ende August.
Wir hatten heute den Plan nach Möglichkeit jemanden in die Spitze zu bringen, aber das war kein Muss. Vor allem sollte Joshua sich heute ein bisschen erholen. Weil er der bestplatzierte von uns war sollte er versuchen, am Ende der Etappe um die Bonussekunden zu sprinten. Ich hab mich auch ein bisschen zurückgehalten um dann fürs Finale noch fit zu sein.
Die Gruppe des Tages hat sich dann erst in dem 4 Kilometer langen Anstieg nach 18 Kilometern gelöst. Dort wurde dann schon ordentlich schnell hochgefahren. Das Feld ist erstmal ein bisschen kleiner geworden, aber anschließend ist alles wieder zusammengerollt. Nach 60 Kilometern ging es in einen Ort hinein mit Pflaster als Straßenbelag. Dort gab es dann einen Massensturz, bei dem alle aus unserem Team beteiligt waren. Alle sind auf dem Boden gelegen außer mir. Ich konnte gerade noch so abbremsen, ausweichen und wieder nach vorne fahren
Wir haben dort leider Jan Hugger verloren, der jetzt mit einem Oberschenkelbruch im Krankenhaus liegt. An dieser Stelle wünschen wir ihm vom ganzen Team natürlich gute Besserung und hoffen, dass alles glatt läuft mit der Operation. Alle anderen kamen mit leichten Blessuren davon wurden aber durch den Sturz länger aufgehalten. Früher oder später sind aber alle wieder zurückgekommen und das Feld war dann wieder nahezu komplett.
Nach 100 Kilometern hat sich mein Sattel durch das Kopfsteinpflasterstück gelöst. Ich musste zum Auto, dort wurde die Sache aber ganz schnell von unserem Mechaniker wieder festgezogen. Das war keine große Sache und ich war direkt wieder im Feld.
Wir hatten den ganzen Tag über Seitenwind von rechts, das war ziemlich ekelhaft. Mit dem Regen und den kalten Temperaturen habe ich schon frühzeitig gemerkt, dass ich heute nicht die besten Beine habe. Deshalb habe ich mich entschieden, dass ich für Josh fahre und versuche, ihn vorne zu halten bis zum Rundkurs. Im Berg während der ersten Runde des Rundkurses sind dann meine Beine sprichwörtlich explodiert. Aber ich denke, dass jeder mal einen schlechten Tag haben kann. Meine Beine waren heute einfach nicht gut, was nach meinem Sturz letzte Woche bei der Tour de l' Avenir aber wohl völlig normal ist. Ich hoffe einfach, dass es dann morgen wieder besser läuft.
Josh ist mit Platz 6 in der Gesamtwertung immer noch in den Top Ten. Wegen dem Sturz war das für uns heute kein guter Tag, aber Ich denke wir sind da noch mal mit einem blauen Auge davongekommen und haben richtig Moral bewiesen. Unsere Jungs wurden teilweise mehrere Minuten bei dem Sturz aufgehalten und kamen zurück.
Wir hoffen einfach, dass es an den nächsten Tagen besser für uns laufen wird und dass ich meine Beine wieder finden und Josh sich vorne behaupten kann. Ich denke er hat die Form und auch die Moral dazu.
Wir hören uns morgen wieder von der 3. Etappe.
Viele Grüße
Euer Kim
28.08.2021 3. Etappe: Ilmenau - Erlangen (191 km)
Im Vergleich zu den Tagen zuvor hatten wir zum Startort der 3. Etappe nur einen relativ kurzen Anfahrtsweg von 20 Minuten. Das hat uns alle sehr gefreut. Im Rennen waren wir dann deutlich länger unterwegs, denn es standen 191 Kilometer von Ilmenau nach Erlangen an.
Die ersten 2,5 Rennstunden war das Wetter besser als gedacht, ab und an kam sogar die Sonne raus. Nach der Neutralisation ging es direkt berghoch zur ersten Bergwertung. Dort hat Rally, das Team des Führenden in der Bergwertung, das Tempo kontrolliert. Kurz vor der Kuppe wurde schließlich um die Punkte gesprintet und es bildete sich kurz darauf die Gruppe des Tages, in der wir diesmal nicht vertreten waren.
Der Plan war heute, Josh heil und in der ersten Gruppe ins Ziel zu bringen. Ich bekam auch eine geschützte Rolle und im Finale sollten Josh und ich sprechen, wie wir es machen. Eventuell würde Josh dann noch auf die Bonussekunden im Etappenfinale gehen.
Die Etappe verlief an sich relativ ruhig, nach 100 Kilometern hat es aber angefangen, in Strömen zu regnen. Zum Glück gab es diesmal keine stressigen Situationen. Wir sind im Finale gut platziert gefahren und Mario hat dabei einen tollen Job gemacht und uns aus dem Wind gehalten.
Richtung Rundkurs wurde es dann richtig schnell, aber Josh und ich waren ganz vorne, also in einer guten Ausgangslage. Als es auf die Schlussrunde ging, stand direkt eine Steigung an, an deren Ende die Bonussekunden vergeben wurden. Ich bin auf der rechten Seite der Straße gefahren, Josh auf der linken. Im Augenwinkel habe ich gesehen, dass bei Josh ein Crash war, wodurch er aufgehalten wurde.
Ich selbst habe gemerkt, dass ich im Moment nicht die Beine habe, um bergauf mit den Besten mitzugehen und bin 900 Meter vor der Kuppe ausgeschert. Hinter mir sah ich Josh, habe ihn an mein Hinterrad genommen und versucht, ihn wieder vorzufahren.
Ich habe mich noch mal voll ausgepowert und bin dann ausgeschert. Im Ziel habe ich erfahren, dass Josh in der letzten Kurve noch den Anschluss an das Feld geschafft hat und somit seine Top Ten Platzierung in der Gesamtwertung halten konnte. Alles in allem war es am Ende etwas tricky und hatten nicht das ganz große Glück. Denn Josh hatte sehr gute Beine, wie er mir sagte.
Aber ich denke, wir konnten die Situation noch gut lösen und es war ja das Wichtigste, dass Josh keine Zeit verliert.
Morgen wird es noch mal ordentlich zur Sache gehen. Viele, kurze und steile Berge, da schauen wir, dass wir Josh vorne halten. Vielleicht kann er sich ja noch verbessern. Wir werden jedenfalls alles dafür tun.
Viele Grüße
Euer Kim
29.08.2021 4. Etappe: Erlangen-Nürnberg (160 km)
Heute ging es von Erlangen, dem gestrigen Zielort, nach Nürnberg, und zwar mit einer kleinen Schleife über die fränkische Schweiz, was man dann auch auf dem Profil gesehen hat. Es waren zwar nur 160 Kilometer, dafür aber im mittleren Teil von ordentlichen Zacken geprägt. Unser Plan war es, Josh so gut wie es geht zu unterstützen und jemanden in die Gruppe zu schicken.
Am Start war es noch trocken aber schon nach 10 Kilometern hat es dann wieder angefangen zu regnen, wie die letzten Tage auch - also haben wir jetzt 4 Tage Regen gehabt. Da stellt man sich auch was schöneres vor im August, aber so ist es nunmal. Den Plan mit einem Fahrer in der Gruppe hatten aber nicht nur wir, ich denke jeder wollte irgendjemand in die Gruppe bringen, auch die größeren Teams. Das hätte hier auch taktische Vorteile gehabt.
Ich weiß nicht mehr genau nach wieviel Kilometern, auf jeden Fall hat sich dann kurz vor dem ersten Berg, der nicht als Bergwertung kategorisiert, aber auch fast 3 Kilometer lang war, eine 20-köpfige Gruppe abgesetzt. In der waren ziemlich viele Teams vertreten oder eigentlich fast alle, außer wir. Somit habe ich dann beschlossen, da hinterherzufahren. Wir hatten dabei keine Unterstützung. Ich weiß nicht genau wie lange es war, auf jeden Fall hat es eine Weile gedauert, bis ich die Gruppe dann alleine wieder eingeholt hatte.
Und dann ging auch sofort der nächste Anstieg los und die Springer begann wieder von vorne. Ich konnte dann erstmal bei dem Tempo nicht mitgehen und musste reißen lassen. Kurz nach der ersten Bergwertung bin ich wieder mit einer kleinen Gruppe nach vorne gekommen ins Feld hab und habe mich eigentlich auch ganz gut gefühlt. Anschließend kam aber eine längere Abfahrt, in der ich sehr ausgekühlt bin. Ich hatte keine Regensachen und hab mich irgendwie davon nicht mehr so richtig erholt. Ein paar Bergwertungen später hats mich dann komplett aufgestellt wegen der Kälte und meine Beine haben komplett dicht gemacht. Ich bin noch weiter gefahren in einer kleineren Gruppe, so ungefähr 40 Kilometer lang, musst dann aber aufgrund der Kälte aufgeben. Ich hab so gefroren. Ich hab erst spät eine Regenjacke bekommen und als ich versucht habe die anzuziehen, bin ich fast gestürzt. Mir war wirklich sehr, sehr kalt.
Josh hat sich eigentlich gut gefühlt, wie er mir nach dem Rennen berichtet hat. Er hatte dann aber auch so einen Moment an der vorletzten Bergwertung, wo es plötzlich nicht mehr ging. Es waren aber nur so 10 Minuten, danach hatte er sich wieder erholt. Aber dann war die große Gruppe schon weg und er hat sie verpasst und somit hat es nicht mehr für einen Topplatz in der Gesamtwertung gereicht.
Aber alles in allem denke ich können wir sehr zufrieden aus Deutschland Tour raus gehen - ich mit meinem 10. Platz am ersten Tag und Josh in der Spitzengruppe und lange auf gutem Kurs in der Gesamtwertung. Ich denke jedem im Team hat die Deutschland Tour was gebracht, außer vielleicht Jan Hugger, dem ist es ja nicht so gut ergangen. Deswegen da auch nochmal gute Besserung und schnelle Erholung an ihn und viele Grüße vom ganzen Team natürlich.
Wir hören uns beim nächsten mal.
Viele GrüßeEuer Kim